Unsere Ursprünge
Geistige Wurzeln des modernen weltlichen Humanismus sind zu finden in der Philosophie der Aufklärung und den liberalen Strömungen in den christlichen Kirchen, genauso wie in denen des Buddhismus und im Islam, dem Humanismus der Renaissance mit ihrer Rückbesinnung auf die antike Philosophie sowie der Demokratiebewegung des "Vormärz", d. h. des bürgerlichen und sozialen Liberalismus, der zur Revolution 1848/49 führte.
Organisatorisch entstanden die Vorläufer unserer Gemeinschaften um 1845 aus bürgerlichen Kreisen, die sich vom römisch orientierten Katholizismus und vom staatstreuen Protestantismus nicht mehr genügend vertreten fühlten. Diese ersten "freireligiösen" Gemeinden erstrebten über die Konfessionsgrenzen hinweg eine Reform im Sinne eines urchristlichen Glaubens.
Der Ausschluss aus den jeweiligen Kirchen und das Umfeld der Revolutionszeit von 1848 machten die freireligiösen Gemeinden bald zu einer Protestbewegung gegen die vereinten Mächte von Kirche und Staat, die die Unterdrückung weiter Bevölkerungskreise betrieben. Unseren Vorläufern ging es um Selbstbestimmung in Glaubensangelegenheiten, demokratische Gemeindestrukturen, Betonung der Vernunft, Gleichberechtigung der Frauen, Bildung für alle, gerade auch für Ärmere sowie auch Ausbildung in beruflichen Arbeiten. Insgesamt zielte die Bildung und der Zusammenschluss zu "freireligiösen Gemeinden" in ihren Anfängen bis in unsere heutige Zeit auf die Stärkung der Selbstachtung durch Anerkennung der Menschenwürde aller.
Landesherrliches Kirchenregiment
Bis dahin bestimmte noch selbstherrlich der Landesherr über das religiöse Bekenntnis seiner Untertanen und benutzte hierbei die Landeskirche als Herrschaftsinstrument ("landesherrliches Summepiskopat" / Konzept des "Gottesgnadentums"). Dabei war das Kirchenregiment Teil der alle Lebensbereiche umfassenden Herrschaft des Landesherrn in seinem Territorium und die Superintendenten (Dekane) die über die Pfarrerschafft wachten, waren Beamte des Fürsten. Die örtlichen Pfarrer wiederum hatten alle standesamtlichen Funktionen inne, die Schule und das Gemeindeleben unter sich, waren Richter der Sittengerichte (Kirchenkonvente bis 1891) durch die Strafen für Vergehen gegen die kirchliche Ordnung (zum Beispiel Pflicht zum Gottesdienst- und Abendmahlsbesuch, Verbot der Sonntagsarbeit, Disziplin im Gottesdienst), gegen die herrschende Sexualmoral (zum Beispiel vor- und außerehelicher Geschlechtsverkehr und Schwangerschaften) und andere Vorschriften, zum Beispiel das Tanzen, Trinken, Spielen und Fluchen betreffend, ausgesprochen wurden. Der Konvent konnte Geld- oder Arreststrafen verhängen. Wer ein Vergehen angezeigt hatte, das mit einer Geldstrafe geahndet wurde, erhielt ein Drittel der Buße als Belohnung (Anbringdrittel).
Aufklärung und Religionskritik
Die geistige Enge und religiöse Rückständigkeit die bis in die biedermeierlichen Metternich-Ära reichte, fand ihre Kritik mit dem im 18. Jahrhundert in Europa und Nordamerika begonnenen epochalen Projekt der Philosophie der Aufklärung, die in den deutschen Ländern erst mit Verspätung und im idealistischen Gewand einsetzte. Der Stuttgarter Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) lehrte ein umfassendes System der "Dialektik". Der Kern seiner Methode dabei ist die Negation. Sie macht die dialektische Darstellung als „voraussetzungsloser, selbstbewegter und selbstbestimmter Entwicklung der Sache selbst, nach dem omnis determinatio est negatio“ (alle Gewissheit ist die Verneinung). Damit wird die Methode des Zweifelns salonfähig, was die hegelianische Philosophie zum Gegensatz aller dogmatischen Lehren machte.Der Hegelschüler David Friedrich Strauß (1808 - 1874) wies dann auch erstmals mit seinem Buch "Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet" (Tübingen 1835) wissenschaftlich die Märchenhaftigkeit der Evangelien nach. Weitere Hegel-Schüler wie Bruno Bauer, Ludwig Feuerbach oder der junge Karl Marx vertraten dann später eine noch radikalere Religionskritik.
"Frei in der Religion"
So viel Aufklärung musste Früchte tragen. Als 1844 der "Heilige Rock" in Trier ausgestellt wurde, angeblich das Tuch, das Jesus bei seiner Kreuzigung getragen hatte, war für viele aufgeklärte Geister das Maß voll. Das Sendschreiben das der katholische Kaplan Johannes Ronge (1813-1887) gegen diesen Unfug verfasste und von Robert Blum verlegt und damit deutschlandweit bekannt machte führte zur ersten größeren Kirchenaustrittsbewegung und das Entstehen dissidentischer und weltlich ausgerichteter "Freien Gemeinden". (Die katholischen Dissidenten nannten sich zunächst "Deutschkatholiken", die Protestantischen eine Metapher der Aufklärung aufnehmend "Lichtfreunde", später nach dem Zusammenschluss nannte man sich dann "Freireligiöse". Diese heterogene Bewegung, die sich als "frei in der Religion" definierte, organisierte sich in regionalen Gruppen und zählte um 1848 bereits 100.000 Anhänger in 259 Gemeinden.Organisatorisch entstanden die Vorläufer unserer Gemeinschaften um 1845 aus bürgerlichen Kreisen, die sich vom römisch orientierten Katholizismus und vom staatstreuen Protestantismus nicht mehr genügend vertreten fühlten. Diese ersten "freireligiösen" Gemeinden erstrebten über die Konfessionsgrenzen hinweg eine Reform im Sinne eines urchristlichen Glaubens.
Der Ausschluss aus den jeweiligen Kirchen und das Umfeld der Revolutionszeit von 1848 machten die freireligiösen Gemeinden bald zu einer Protestbewegung gegen die vereinten Mächte von Kirche und Staat, die die Unterdrückung weiter Bevölkerungskreise betrieben. Unseren Vorläufern ging es um Selbstbestimmung in Glaubensangelegenheiten, demokratische Gemeindestrukturen, Betonung der Vernunft, Gleichberechtigung der Frauen, Bildung für alle, gerade auch für Ärmere sowie auch Ausbildung in beruflichen Arbeiten. Insgesamt zielte die Bildung und der Zusammenschluss zu "freireligiösen Gemeinden" in ihren Anfängen bis in unsere heutige Zeit auf die Stärkung der Selbstachtung durch Anerkennung der Menschenwürde aller.
Seit 1845 in Württemberg
Auch in Württemberg kam es im März 1845 in Stuttgart und Esslingen sowie im September des gleichen Jahres in Ulm zur Gründung von Ortsgemeinden. Zur selben Zeit wurde im September 1845 auf der Silberburg in Stuttgart unweit unseres heutigen Gemeindezentrums der Südwestdeutsche Landesverband, der Vorläufer der späteren Landesgemeinde, gegründet. Bereits 1847 empfand die Gemeinde den ursprünglichen Namen "deutschkatholisch" als unpassend und änderte ihn in "freie christliche Gemeinde".Von Anfang an erregte unsere später in "Freireligiöse Gemeinde" umbenannte Weltanschauungsgemeinschaft das Misstrauen der staatlichen Instanzen, weil man politischen "Extremismus" vermutete und es wurde von dem damaligen Oberamt verfügt, dass die Gemeinde ein Mitgliederverzeichnis anfertigen und hinterlegen muss. Von der Aufsichtsbehörde wurde den darin aufgelisteten Namen häufig der Vermerk "entschiedener Demokrat" hinzugefügt.
Die Revolution der Freigeister 1848 / 1849
Zahlreiche prominente Persönlichkeiten der 1848/49-Revolution waren zugleich organisierte Freigeister oder standen den Freien Gemeinden nahe. So war Robert Blum (1807 - 1848), einer der Präsidenten des Vorparlaments der Paulskirche, der am 9. November 1848, trotz Immunität, standrechtlich erschossen wurde, war ein führender Organisator der Bewegung, und hatte auch ein erstes Konzil der freien Gemeinden in Leipzig veranstaltet. Freireligiös und zugleich Revolutionäre waren auch Adolf Wislicenus (1803 -1875) Eduart Baltzer (1814 - 1887), Julius Rupp (1809 - 1884), Teodor Hofferichter (1815 - 1887 und Otto von Corvin (1812 - 1886, der Autor des Pfaffenspiegel 1845). Im Südwesten waren es Gustav on Struwe (1805 -1870, Friedrich Hecker (1811 - 1881), Josef Fickler (1808 - 1865), Ludwig Schaller (1824 - 1860), die Dichter Ludwig Pfau (1821 - 1894) und Georg Herwegh (1817 - 1875). In den revolutionären Programmen der Volksbewegung spiegelte sich das Wirken der Freigeister wieder, in Forderungen nach Abschaffung der religiösen Unfreiheit und Einschränkung der Macht des Klerus, Gewissensfreiheit, Weltlichkeit von Schule und Lehre und die Trennung von Staat und Kirche. In Bauernerhebungen im Südwesten wurde die Abschaffung von Frondiensten und Abgaben erstritten. 1848 konnte in Württemberg die Aufhebung des Zehnten durchgesetzt werden. Viele 48er mussten nach der Niederschlagung der Revolution in die Emigration, nicht wenige erlitten Verfolgung und Haft oder Hinrichtung. Trotz dieser Rückschläge bestanden die Freien Gemeinden im Südwesten weiter (in Baden, der Kurpfalz und Württemberg).
Ulm - freigeistiges Zentrum in Württemberg
In den folgenden Jahrzehnten war die Gemeinde in Ulm für lange Zeit ein Kristallisationspunkt der Bewegung in Württemberg. Hier beschäftigte man seit der Gründung 1845 bis 1885 einen eigenen hauptamtlichen Prediger, Johann Friedrich Albrecht (1818-1890) baute man 1864 ein eigenes Gebäude für Versammlungen in der Olgastr. 70. Am 20. August 1874 wurde der Landesgemeinde von König Karl auf Schloss Friedrichshafen die Rechte einer juristischen Person verliehen. Filialgemeinden unterhielten die Ulmer in Friedrichshafen und Biberach und auch Stuttgart und Esslingen wurden vom Ulmer Prediger mitbetreut.
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